Donnerstag, 14. August 2014


Hier gab es die original Buchweizentorte aus Celle

Schweinemist und Fachwerkhäuser (Celle)


Der nächste Tag, unsere letzte Wanderetappe für dieses Jahr, führt uns durch den Naturpark Südheide bis zur Jugendherberge Celle. Auch diese Jugendherberge liegt am äußersten Rand der Kreisstadt, glücklicherweise aber an dem uns zugewandten. Auch so hat uns die 32 Kilometer-Distanz mehr als gereicht.
Nur wenige Kilometer hinter Müden passierten wir den Missionsort Hermannsburg. Dieser Ort mit seinem Saubermann-Image und seinen zur Schau gestellten Erinnerungen an seine auf Ludwig Harms zurückgehende Missionsgeschichte lassen bei mir Erinnerungen an meine pietistisch geprägte Jugendzeit hochkommen. Lange habe ich an die Menschen und meine Zeit in diesen freikirchlichen Gruppen nicht mehr gedacht. An all den moralin-sauren Zwang, die geistige Enge und Engstirnigkeit. Eltern, die ihren Töchtern verboten, Hosen zu tragen und sich das Haar abzuschneiden. Familien, für die ein Fernsehapparat einem Götzenaltar gleichgekommen wäre. Tanzen, Kartenspielen, Alkohol, Flirten – all das waren Versuchungen der „Welt“ und folglich tabu. Ich dachte, ich hätte diese Zeit mit ihrem unheilvollen Zwang vergessen. Aber es war nur weit nach hinten gedrängt. In Hermannsburg kam das schlechte Gefühl wieder hoch. In diesem kleinen Dorf in der Heide wurden Scharen von Missionaren „ausgebildet“, die zunächst Afrika und später andere Teile der „heidnischen“ Welt ungefragt mit den Segnungen europäischer Religion und Zivilisation beglückten.
Heute war man in Hermannsburg mit den Vorbereitungen eines Trachtenfests beschäftigt. Im Örtzepark eilten Helfer hin und her und bauten Zelte, Pavillons, Tische und Bänke auf. Wir hatten weder Zeit noch Lust, uns länger an diesem Ort aufzuhalten. In erster Linie galt das natürlich für mich. Hannes mit seiner katholischen Prägung hatte hier keine Probleme. Wir wanderten dennoch zügig weiter. Nach Celle war es noch weit genug.
In der Jugendherberge Celle wurden wir sehr freundlich empfangen und hielten noch in der Rezeption ein witziges Pläuschchen mit der Herbergsleitung. Es hätte uns gut gefallen, wenn – ja, wenn nicht dieser penetrante Geruch nach Schweinemist um das Haus gewesen wäre. Die Jugendherberge liegt im Celler Vorort Klein-Hehlen, direkt gegen über einem Betrieb mit Schweinehaltung. Sonst sind wir ja immer sehr für Natur und artgerechte Tierhaltung. Aber wenn man dann direkt gegenüber wohnt, vergisst man schon mal seine Überzeugungen. Wir mochten in unserem Zimmer gar nicht das Fenster öffnen.
Von Celle hat man einen superschnellen S-Bahnanschluss zum Flughafen Hannover. Das ließ uns bis zu unserem Abflug um 17 Uhr genug Zeit für einen ausgedehnten Stadtbummel. Auch wenn es abgedroschen klingt, wir waren wirklich begeistert. Celle hat ein wunderschönes Schloss mit großzügig angelegtem Schlosspark, eine Märchenfilm-reife Fachwerk-Altstadt und mindestens ein attraktiv ausgestattetes Museum, das Bomann-Museum für Kulturgeschichte. Hier konnten wir das niederdeutsche Bauernhaus noch einmal in Ruhe studieren. Bereits bei der Gründung des Museums wurde ein ganzes Hallenhaus ins Gebäude eingebaut. Im Gegensatz zum Wilseder Ole Hus, das auf schnellen Durchlauf von Touristengruppen eingestellt ist, erfährt man hier viele Details vom Leben in der Heide im Lauf der Jahrhunderte. Was gab es zu essen, welche Handwerksberufe gab es, wie war es um die Gesundheit der Bauern bestellt.


Nach dem Museum haben wir in der Altstadt so viele Fachwerkgiebel fotografiert, dass es Hannes schwindlig wurde. Wir saßen eine ganze Weile an einem Anlagenteich und schauten den Enten zu. Half nichts. Dann gingen wir in ein Straßencafé und versuchten es mit Kaffee und Kuchen. Half auch nichts. Ich hatte allerdings auf diese Gelegenheit gewartet, weil ich unbedingt noch die berühmte Celler Buchweizentorte mit Preiselbeersahne probieren wollte. Sie hat mir gut geschmeckt, allerdings hatte ich mir den Buchweizenboden etwas intensiver schmeckend, die Preiselbeersahne etwas fruchtiger vorgestellt. Vielleicht hatten wir nicht das beste Café erwischt. Ich werde diese Celler Spezialität wenn möglich noch einmal versuchen.
Hannes ging es immer noch nicht besser, und so gingen wir sehr langsam in Richtung Bahnhof. Ich machte mir allmählich wirklich Gedanken. Der Weg zurück kam mir dreimal so lang wie am Morgen vor. In der Bahnhofstraße entdeckte Hannes eine Dönerbude, sein Gesicht hellte sich auf: „Ich glaube, ich habe Fleischhunger.“ Er ging rein und kam mit einem Riesendöner mit Fleisch und viel rotem Krautsalat wieder raus. Bis wir zum Bahnhofsgebäude geschlendert waren, war der Patient kuriert.
Im Bahnhof holten wir unsere Rucksäcke aus der Bahnhofsmission ab und suchten uns eine Sitzgelegenheit im Warteraum. Neben einer jungen Dame war noch Platz frei. Wir nahmen unser Gepäck und setzten uns neben sie auf die Bank. Entrüstet schaute sie uns an: „Geht’s noch?“ Blaffte sie, stand auf und stolzierte mit hocherhobenem Kopf davon. Ja, bei uns ging es noch.



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