Von Norden nach Süden
Etappe: Hamburg – Neugraben-Fischbeck (Ovelgönne) – Bucholz – Inzmühlen – Bispingen – Soltau – Müden – Celle (7. – 15. August 2014)
An der Elbe bei Hamburg |
Phantom der Oper und Queen Mary (Von Hamburg nach Ovelgönne)
Was haben das Phantom der Oper und der Luxusdampfer Queen Mary II mit unserer Tour auf dem E1 zu tun? Richtig, sie stehen beide ganz am Anfang unserer ersten richtigen gemeinsamen Nord-Süd-Etappe. Genauer gesagt, sie kommen noch davor.
Hannes, mein damals noch neuer Lebensgefährte, hatte nämlich die Idee, seine Liebste, also mich, einmal so richtig fein in ein Musical auszuführen. Am liebsten ins Phantom der Oper. Das hatte ihn am meisten begeistert. Und da er mehr Pragmatiker als Romantiker ist, schlug er vor, dies könne man doch geradezu perfekt mit dem Start unserer ersten Etappe auf dem E1 verbinden. Die anstehende Etappe sollte in Hamburg beginnen, das Phantom der Oper wird in Hamburg gespielt. Also, was liegt näher… Wir buchten eine zeitlich passende Aufführung plus Flug von Stuttgart nach Hamburg Anfang August 2014. Alles nur eine Sache der Planung.
Nur mit dem „fein Ausführen“ wurde es nichts. Wir konnten ja schlecht unsere Abendgarderobe noch zu dem ganzen Wandergepäck in unsere Rucksäcke stopfen. Erfahrene Wanderer wissen, wie wichtig es ist, das Gewicht des Rucksacks möglichst gering zu halten. Bei meiner ersten mehrtägigen Wanderung hatte ich noch unbedacht Waschbeutel, reichlich Toilettenutensilien und Wechselkleidung eingepackt. Am ersten Abend haben mir Schultern und Nacken derart wehgetan, dass ich unbarmherzig ausgepackt und im Papierkorb versenkt habe. Kurz hatte ich sogar erwogen, den Stiel der Haarbürste abzubrechen… Diesen Fehler wollten wir kein zweites Mal machen. Und so marschierten wir in Wandersandalen und Wanderhosen zum Musicalgebäude und schlenderten im Outdoorlook zwischen Herren in dunklen Jacketts und Damen in langen oder ganz kurzen Röcken im eleganten Foyer umher. Zu Hause war mir diese Vorstellung peinlich gewesen. Wahrscheinlich ist es aber keinem aufgefallen oder war den andern egal. Auf mich wirkte das Fein-Getue im Musical Palast ohnehin eher lächerlich. Als wir vor Beginn der Vorstellung noch einen Kaffee bestellten, wurden uns die Getränke von einer jungen Dame in Phantasieuniform mit huldvollem Lächeln und der Bemerkung gereicht: „Genießen Sie es!“ Hannes verdrehte bloß die Augen.
Wirklich genossen haben wir den Tagesausklang auf der hauseigenen Terrasse der Hamburger Jugendherberge Auf dem Stintfang. Hoch über den Landungsbrücken, ein Glas Wein aus dem Bistro in der Hand! Um uns eine Menge zumeist junge Leute und Familien. Was irritierte, war die plötzlich aufkommende Unruhe. Kinder kletterten auf die Bänke, Ferngläser wurden hervorgeholt. Ein etwa zehnjähriger Junge klärte uns auf: In wenigen Minuten wird sie auslaufen. Queen Mary II, der Luxusliner schlechthin. Er und sein Halbbruder würden schon den ganzen Abend darauf warten. Und richtig, zuerst kamen die Beiboote, dann tauchte langsam die hellerleuchtete schwimmende Riesenburg auf. Überall an der Reeling winkende Fahrgäste, Rufen, Gelächter. Die Kinder um uns gerieten ganz aus dem Häuschen, ihre Eltern fotografierten was das Zeug hielt. Beinahe hätten wir selbst auf eine gute Fahrt angestoßen.
Diese Jugendherberge ist der ideale Ausgangspunkt für die Etappe Hamburg-Nordheide-Südheide. Der E1 läuft direkt neben dem Haus vorbei, Anbindung an S-Bahn und Flughafen sind perfekt. Am nächsten Morgen war strahlendes Wetter, der Track führt immer parallel zum Elbufer bis nach Blankenese. Wir Landeier staunen. Riesige Containeranlagen, Kranen, Lotsenschiffe, Kreuzfahrtterminal, Fischlokale. Und immer wieder Radler, Gassigeher, Moin, Moin klang es uns entgegen. An einem kleinen Strandabschnitt treffen wir den Alten Schweden. Vor gut zehntausend Jahren kam der riesige graue Granitfindling mit den eiszeitlichen Gletschern hier her. Kurz vor der Jahrtausendwende wurde er bei Vertiefungsarbeiten aus der Fahrrinne der Elbe gebaggert. Ich mache ein paar Fotos für meinen Sohn. „Alter Schwede“ war damals eines seiner geflügelten Worte. An so einen dicken Brocken hat er bestimmt nicht gedacht.
Von Blankenese geht es mit der Fähre über die Elbe und durch das Naturschutzgebiet Mühlenberger Loch bis nach Cranz, dort noch über die Cranzer Rollbrücke und hinein ins Alte Land. Erst geht es immer am Deich entlang, was mit der Zeit arg nervt. Kaum ist man ein Stückchen marschiert, geht es vom Deich runter, über eine Straße und auf der andern Seite wieder den Deich hinauf. Nach zweihundert Meter das nächste Mal und immer so weiter. Wir überlegen, wie viele Höhenmeter da wohl zusammen kommen?
Endlich geht es vom Deich ab und ins Apfelland hinein. Es ist schwülheiß, wir sind am Verdursten, aber kein Laden in Sicht. Nach einer kleinen Ewigkeit kommen wir zum Neuenfelder Markt, ein türkischer Supermarkt der dortigen Islamischen Gemeinde, zugehörig zur Neuenfelder Moschee Klein Istanbul. Vor dem eingeschossigen Backsteingebäude sitzen Männer auf Gartenstühlen aus Plastik, trinken Tee und essen. Frauen oder Mädchen sind nirgends zu sehen. Es riecht verdammt lecker. Ich habe fürchterlichen Durst, will unbedingt in den Laden und etwas zu trinken kaufen. Hannes ist skeptisch, will lieber weiterlaufen. Vielleicht kommt noch ein anderes Geschäft. Die frauenlose, orientalisch anmutende Szene bereitet ihm Unbehagen. Mir geht es auch ein bisschen so, aber der Durst ist stärker: „Ich geh‘ rein und kauf‘ Wasser!“ Natürlich kann Hannes mich da nicht allein reinlassen und so gehen wir gemeinsam und kaufen 2 Flaschen Wasser und eine Tüte mit Trauben. Als wir rauskommen, werden wir schon erwartet. Die Männer rufen uns an einen Tisch und bieten das unverschämt lecker riechende Essen an. Gözleme, von ihren Frauen selbst gemacht. Wir sollen unbedingt probieren. Bestes Gözleme der Welt! Nur ein Euro das Stück. Wie blöd, dass ich zuvor schon gegessen habe. Aber Hannes probiert und ist begeistert. Als Wegzehrung lässt er sich noch eine weitere Portion sorgfältig in Alufolie verpackt mitgeben.
Endlich geht es vom Deich ab und ins Apfelland hinein. Es ist schwülheiß, wir sind am Verdursten, aber kein Laden in Sicht. Nach einer kleinen Ewigkeit kommen wir zum Neuenfelder Markt, ein türkischer Supermarkt der dortigen Islamischen Gemeinde, zugehörig zur Neuenfelder Moschee Klein Istanbul. Vor dem eingeschossigen Backsteingebäude sitzen Männer auf Gartenstühlen aus Plastik, trinken Tee und essen. Frauen oder Mädchen sind nirgends zu sehen. Es riecht verdammt lecker. Ich habe fürchterlichen Durst, will unbedingt in den Laden und etwas zu trinken kaufen. Hannes ist skeptisch, will lieber weiterlaufen. Vielleicht kommt noch ein anderes Geschäft. Die frauenlose, orientalisch anmutende Szene bereitet ihm Unbehagen. Mir geht es auch ein bisschen so, aber der Durst ist stärker: „Ich geh‘ rein und kauf‘ Wasser!“ Natürlich kann Hannes mich da nicht allein reinlassen und so gehen wir gemeinsam und kaufen 2 Flaschen Wasser und eine Tüte mit Trauben. Als wir rauskommen, werden wir schon erwartet. Die Männer rufen uns an einen Tisch und bieten das unverschämt lecker riechende Essen an. Gözleme, von ihren Frauen selbst gemacht. Wir sollen unbedingt probieren. Bestes Gözleme der Welt! Nur ein Euro das Stück. Wie blöd, dass ich zuvor schon gegessen habe. Aber Hannes probiert und ist begeistert. Als Wegzehrung lässt er sich noch eine weitere Portion sorgfältig in Alufolie verpackt mitgeben.
Den Rest des Tages ging es gefühlt nur noch geradeaus. Zuerst auf einem endlos langen, staubigen Feldweg, vorbei an Mücken umschwirrten Tümpeln und muffigen Wassergräben, schließlich durch ein Moorgebiet. Meine Fußsohlen glühen. Um mir ein kleines bisschen Entlastung zu verschaffen, versuche ich wenn möglich, mit einem Fuß auf dem Seitenstreifen auf Gras zu treten. In Neugraben-Fischbek wäre eigentlich Ende der heutigen Etappe gewesen. Aber da wir hier von Zuhause aus keine Unterkunft gefunden hatten, setzen wir nochmal 7 Kilometer drauf und wandern entlang der Hauptstraße Richtung Buxtehude bis nach Ovelgönne zum Ovelgönner Hof. Mein subjektiver Tagestiefpunkt ist erreicht. Hannes spricht auch nicht mehr. Hat das nun eine Bedeutung für die Paarbeziehung? Keine Ahnung. Wir trotten nur noch hintereinander her. Mit dem Taxi wären wir zwar bequemer, allerdings auch nicht schneller vorangekommen. Denn der Verkehr auf diesem Abschnitt der Cuxhavener Straße steht wegen einer Großbaustelle. So haben wir das zweifelhafte Vergnügen, an den im Stop and Go steckenden Autos zwar mit schmerzenden Füßen und allmählich steif werdenden Muskeln, aber dennoch vorbei zu gehen.
Der Ovelgönner Hof ist ein geschmackvoll eingerichteter Traditionsgasthof mit einem verlockenden Angebot an regionalen Gerichten und spanischen Tapas Leckereien. Leider hieß es an diesem Tag wegen einer Hochzeitsfeier „Geschlossene Gesellschaft“. Hätte es schlimmer kommen können? Im Prinzip schon, denn gleich nebenan gibt es die „Grillstation“ – ein Fernfahrerimbiss mit deftiger Inhaberin, die zwar lecker Bratkartoffeln und Bouletten braten, sich mit Charme und Dienstleitung aber durchaus zurückhalten konnte. Egal, wir holten unser Bier einfach selbst aus dem Kühlschrank. Dafür meckerte uns auch niemand an, als wir unsere schmerzenden Beine gemütlich auf die freien Sitzgelegenheiten legten. Hannes war restlos mit dem Tag versöhnt, als er die Riesenportion Bratkartoffeln zusammen mit dem Holzfällersteak auf seinem Teller liegen sah.
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