"Der Hasen und der Löffel drei, und doch hat jeder Hase zwei." |
In Westfalens katholischem Herzen
Wie viele Kirchen gibt es in Paderborn? Wir haben es auf die
Schnelle nicht herausfinden können. Aber spontan würde ich sagen, es sind zu
viele. Wir haben uns für diese Stadt einen ganzen Tag Zeit genommen, aber
irgendwie fällt es uns schwer, uns zu beschäftigen. Der erste Weg am Morgen führt
uns – wie kann es hier anders sein – von der Jugendherberge ins Zentrum und
damit zum Dom. Zuerst kommen wir zum Quellgebiet der Pader, ein wirklich schön
angelegter offener Parkbereich mit viel Wasser. Hier entspringt aus 200 Quellen
die Pader, der kürzeste Fluss Deutschlands. Schon nach 4 Kilometern bei Schloss
Neuhaus mündet die Pader in die Lippe, einen wesentlich wasserärmeren Fluss.
Aber nichts desto trotz: Schluss ist da mit der Pader.
Direkt am Quellgebiet liegt die karolingische Kaiserpfalz,
der Ort, an dem Karl der Große die erste fränkische Reichsversammlung auf sächsischem
Boden abhielt. Ja, Paderborn lag damals mitten im Sachsenrein. Von dieser Pfalz
stehen nur noch Grundmauern. Aber auf den Fundamenten der nachfolgenden
ottonisch-salischen Kaiserpfalz aus dem 11. Jahrhundert wurde in den 1970er
Jahren eine Rekonstruktion errichtet, in der sich heute ein Museum befindet.
Ich wäre unheimlich gern reingegangen, aber wie schon erwähnt, es war Montag
und alle Museen geschlossen. Ich war richtig traurig. Und so blieb uns nichts Anderes
übrig, als eine Auswahl der zahlreichen Paderborner Kirchen der Reihe nach
abzuklappern.
Kaum zu sehen: der Dom hinter dem Diözesanmuseum |
Von außen macht der Dom einen majestätischen Eindruck,
vorausgesetzt man schafft es, sich so hinzustellen, dass einem das mitten auf
den Domplatz geklatschte Diözesanmuseum nicht den Blick versperrt. Eine
städtebauliche Entgleisung ersten Grades! Ein monströses Ungetüm aus Beton,
Glas und rot lackierten Metallverstrebungen klotzt mitten vor der
Paradiespforte und lässt nur noch den Turm hinter sich vorlugen. Eine alte Dame
steigt auf dem Parkplatz vor dem Museum in einen Mercedes Van und will offensichtlich
aus einer verdammt engen Parklücke ausparken. Wir freuen uns schon auf eine
umständliche Prozedur und schauen interessiert zu. Doch welche Überraschung –
die Oma stößt zurück, schlägt ein zweimal ein und fährt schnittig davon. Wir sind
ganz baff.
Im Dom suchen wir dann das berühmte Hasenfenster, eines der
Wahrzeichen der Stadt Paderborn, wie die Stecknadel im Heuhaufen. Ich wollte
schon aufgeben, aber Hannes hat es im Kreuzgang schließlich doch entdeckt. Ein
Steinmetz aus dem 16. Jahrhundert hat das runde Fensterbild aus rotem Sandstein
gehauen. Drei Hasen springen im Kreis, das Besondere daran beschreibt ein
Spruch: „Der Hasen und der Löffel drei und doch hat jeder Hase zwei“. Man muss
das Bild eine Weile auf sich wirken lassen, dann fällt einem das Kuriose daran
erst richtig auf. Das Motiv mit den drei Hasen hat mich noch eine ganze Weile
beschäftigt. Ich nutze die warme Mittagssonne, um in einem Café über Hasen im
Volksglauben und in der Kunst nachzulesen. Solche Hasenbilder gibt es nicht nur
in Paderborn. Besonders in England waren sie im Mittelalter sehr beliebt. Aber
es ist noch viel älter. Schon in der Römerzeit waren die „Drei Hasen“ beliebt
und schmückten unzählige Öllämpchen. Vermutlich wurde das Motiv über die
Seidenstraße aus China nach Europa gebracht. Natürlich ist der Hase wegen
seiner zahlreichen Nachkommenschaft schon lange ein Sinnbild für Fruchtbarkeit
gewesen. Aber über verschlungene Gedankengänge hat er es in der Dreigruppe auch
zum Symbol der Dreieinigkeit geschafft.
Irgendwie typisch, erinnert mich an den
Witz mit dem Eichhörnchen und dem lieben Jesulein: Fragt die Schwester im
katholischen Kindergarten: „Was meint ihr denn, was das ist: es ist braun,
hüpft durch den Wald sammelt eifrig Nüsse und hat einen buschigen Schwanz?“
Meint Klein Hänschen: „Normalerweise würde ick ja sagen, es ist ein
Eichhörnchen. Aber wie ich den Laden hier kenne, ist es bestimmt das liebe Jesulein.“
Wir bummeln weiter durch die Stadt, bleiben vor vielen
Kirchen stehen und gehen in wenige rein. Beeindruckt hat uns die
Abdinghofkirche in ihrer romanischen Schlichtheit. Ursprünglich Anfang des 11.
Jahrhunderts als Klosterkirche erbaut, wurde die Kirche nach der Säkularisation
im 19. Jahrhundert zu einer evangelischen Kirche. Im Zweiten Weltkrieg wurde
sie stark beschädigt. Sie wurde aber durch viele Spenden vor allem der
Gemeindemitglieder bald wiederaufgebaut. Eine kleine Ausstellung mit Fotos und
Texten beschreibt die letzten Kriegswochen und den Wiederaufbau der Kirche. Wir
erfahren auch, welch große Bedeutung der Bahnhof Altenbeken damals für
Paderborn und die Region hatte. In Altenbeken, wo wir in zwei Tagen übernachten
werden, war ein wichtiger Eisenbahnknotenpunkt. Drei Strecken treffen hier aufeinander:
Die Strecke über Warburg nach Kassel, die über Paderborn nach Hamm und die
Strecke nach Hannover. In der Vergangenheit bedeutete dies, dass es in
Altenbeken jeden Tag mehrere Tausend Umsteiger gab.
Den Rest unseres Ruhetags in Paderborn verbringen wir mit
Essen, Lesen, Schaufenster schauen und Wein trinken. Am nächsten Morgen dürfen wir
in der Jugendherberge freundlicherweise unser Frühstück mitnehmen, damit wir
rechtzeitig den Zug nach Detmold erwischen. Wir bekommen sogar noch zwei
Vespertüten mit Getränken und Süßies zum Einpacken unserer Brote.
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